ABGABENÄNDERUNGSGESETZ 2010 (ABGÄG 2010)

Anfang Juni 2010 hat das AbgÄG 2010, mit dem zahlreiche Steuergesetze geändert werden, das Parlament passiert. Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Änderungen:

1. Neudefinition des Begriffes „öffentliche Mittel“

Subventionen aus öffentlichen Mitteln (zB wegen Hilfsbedürftigkeit, für Zwecke der Wissenschaft und Forschung, für Zwecke der Kunst oder für Anlageninvestitionen) sind nach den Bestimmungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes beim Empfänger in der Regel steuerfrei. Der Begriff „öffentliche Mittel“ wurde von der Rechtsprechung bisher sehr restriktiv interpretiert und entsprach damit nicht mehr den gegenwärtigen vielfältigen öffentlichen Förderstrukturen. Mit der nunmehrigen, ab 01.07.2010 geltenden Änderung wird erreicht, dass zu den steuerfreien öffentlichen Mitteln nicht nur
  • Förderungen von österreichischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (insbesondere Bund, Länder und Gemeinden) gehören, sondern auch Subventionen von
  • vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Körperschaften eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates,
  • Einrichtungen der EU selbst und von
  • in- oder ausländischen ausgegliederten, gesetzlich eingerichteten, aber privatrechtlich organisierten Fördereinrichtungen (zB Forschungsförderungs-GmbH).
 
Die erwähnten ausgegliederten Fördereinrichtungen sind verpflichtet, dem Subventionsempfänger die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Qualifikation der gewährten Subvention als „öffentliche Mittel“ zu bestätigen.
 
In der Praxis ist zu beachten, dass die Steuerfreiheit von Subventionen meist ohne materielle Auswirkung bleibt, da sie im Regelfall zur steuerlichen Nichtabsetzbarkeit der geförderten Betriebsausgaben führt, was im Ergebnis einer Steuerpflicht der Subvention entspricht. Bei Investitionsförderungen sind die steuerfreien Subventionen ertragsteuerlich mit den geförderten Investitionskosten zu verrechnen. Damit wird zwar eine sofortige Steuerpflicht der Subvention vermieden, allerdings führt die Verrechnung mit den Investitionskosten zu einer Verminderung der steuerlich absetzbaren Anlagenabschreibungen und damit letztlich ebenfalls wiederum zu einer (allerdings auf die Abschreibungsdauer verteilten) Steuerpflicht der Subvention.
 
Abweichend von den dargestellten Grundsätzen ist das BMF bei arbeitsmarktpolitischen Zuschüssen und Beihilfen besonders kulant und unterstellt keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Subvention und (geförderten) Personalaufwendungen, wenn mit den Subventionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. In folgenden Fällen kommt es zB bei steuerfreien Zuwendungen seitens des AMS daher zu keiner Kürzung von Betriebsausgaben, sodass die Subvention im Ergebnis wirklich steuerfrei ist:
  • „Blum-Prämie“
  • Zuschüsse zu einer integrativen Berufsausbildung nach
    § 8b Berufsausbildungsgesetz
  • Beihilfen nach dem Solidaritätsprämienmodell (§ 37a AMSG)
  • Kombilohnbeihilfe für ArbeitgeberInnen (§ 34a AMSG)
  • Eingliederungsbeihilfe („Come Back“, § 34 AMSG)
  • Zuschuss zur Förderung von Ersatzkräften während Elternteilzeitkarenz (§ 26 AMFG)
 
Aus den angeführten Gründen führen auch die Lehrlingsausbildungsprämie oder Beihilfen für die betriebliche Ausbildung von Lehrlingen nach § 19c Berufsausbildungsgesetz zu keiner Aufwandskürzung. Das Altersteilzeitgeld (§ 27 AlVG) führt ebenfalls zu keiner Aufwandskürzung, sofern der Zuschuss an die Beschäftigung einer Ersatzkraft geknüpft ist (dieses Erfordernis ist allerdings seit 01.09.2009 wieder weggefallen); dabei ist die zum Beginn der Laufzeit der Altersteilzeitvereinbarung geltende Rechtslage für die gesamte Dauer der Vereinbarung maßgeblich.
2. Weitere Änderungen im Einkommensteuerrecht
  • Die Steuerbefreiung für die unentgeltliche Abgabe von Tabakwaren an Mitarbeiter von tabakverarbeitenden Betrieben wurde mit Wirkung ab 01.01.2010 ersatzlos gestrichen.

  • Als Folge eines Urteils des Verfassungsgerichtshofes wurden die Bestimmungen über die Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsleistungen für nicht haushaltszugehörige Kinder, für die weder der Steuerpflichtige noch der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende (Ehe-)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, geändert. Ab 01.01.2011 sind die Unterhaltsleistungen für ein außerhalb der EU bzw des EWR lebendes Kind, für welches kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, nicht mehr durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten, sondern können als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

3. Änderungen im Körperschaftsteuer- und Umgründungssteuerrecht
  • Gruppenbesteuerung:
    Ab 01.07.2010 sind Beteiligungsgemeinschaften bei Unternehmensgruppen nur mehr als Gruppenträger und nicht mehr als Gruppenmitglieder zugelassen. Außerdem dürfen Mitbeteiligte einer Beteiligungsgemeinschaft nicht mehr gleichzeitig Gruppenmitglieder, sondern lediglich Gruppenträger einer anderen Unternehmensgruppe sein. Für Beteiligungsgemeinschaften, die nicht den neuen Bestimmungen entsprechen, gelten Übergangsfristen bis 31.12.2020.

  • Stiftungsbesteuerung:
    Wenn Privatstiftungen der schon bisher bestehenden Verpflichtung, dem zuständigen Finanzamt ihre Stiftungs- und Stiftungszusatzurkunde in der aktuellen Fassung vorzulegen, nicht nachkommen, muss das Finanzamt ab 01.07.2010 eine Meldung an die zuständige Geldwäschemeldestelle machen. Die Verletzung dieser Verpflichtung führt dann nicht nur – wie schon bisher – zum Verlust der steuerlichen Stiftungsbegünstigungen, sondern stellt überdies eine Finanzordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldstrafe von bis zu 5.000 € bestraft werden kann. Zum 30.06.2010 bereits bestehende Stiftungen können allfällige diesbezügliche Versäumnisse – unbeschadet der erwähnten steuerlichen Konsequenz eines Verlustes der steuerlichen Stiftungsbegünstigungen – bis 31.12.2010 nachholen.

  • Umgründungen:
    Die Änderungen im Umgründungssteuergesetz betreffen vor allem Bestimmungen zur Verhinderung von Missbräuchen sowie Klarstellungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umgründungen (zB Importverschmelzung und Exportumwandlung).
 
4. Änderungen im Umsatzsteuerrecht
  • Änderung bei der Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) sowie bei der Umsatzsteuerjahreserklärung:
    Unternehmer sind grundsätzlich zur Erstellung von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet. Unternehmer mit einem Vorjahresumsatz von nicht mehr als 30.000 € müssen ihre UVA derzeit nur vierteljährlich erstellen. Diese (Vorjahres-)Umsatzgrenze für die vierteljährliche UVA wird ab 2011 von 30.000 € auf 100.000 € erhöht.Unternehmer mit einem Umsatz 2010 von bis zu maximal 100.000 € sind im Jahr 2011 daher nur mehr zur Erstellung von vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet.

    Dieser Erleichterung steht allerdings eine Verschärfung bei der UVA-Einreichung beim Finanzamt gegenüber. Nach derzeitiger Rechtslage müssen Unternehmer die erstellte UVA nur dann beim Finanzamt einreichen, wenn der Vorjahresumsatz mehr als 100.000 € beträgt; andernfalls ist die erstellte UVA lediglich bei den Aufzeichnungen des Unternehmers aufzubewahren. Parallel zur Anhebung der Umsatzgrenze für die vierteljährliche UVA-Erstellung von 30.000 € auf 100.000 € wird die Umsatzgrenze für die verpflichtende Einreichung der UVA beim Finanzamt ab 2011 von derzeit 100.000 € auf 30.000 € gesenkt.

    Eine weitere Erleichterung gibt es für Kleinunternehmer mit Umsätzen bis zu 30.000 €. Diese sind bekanntlich (unecht) steuerbefreit, müssen aber trotzdem – auch wenn sie keine Umsatzsteuer zu entrichten haben – derzeit bei einem Jahresumsatz von mehr als 7.500 € eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgeben. Die Grenze, ab der Kleinunternehmer eine Umsatzsteuerjahreserklärung beim Finanzamt einreichen müssen, wird ab 2011 von 7.500 € auf 30.000 € angehoben.

    Zusammenfassend gelten daher ab 2011 für UVA und Jahreserklärung folgende Regelungen:

Vorjahresumsatz UVA-Zeitraum Verpflichtung zur
UVA-Einreichung
Verplichtung zur Abgabe
USt-Jahreserklärung
bis € 30.000  vierteljährlich nein nein
über € 30.000 bis € 100.000  vierteljährlich ja ja
über € 100.000  monatlich ja ja

 

  • Der zur Beseitigung der Steuervorteile des PKW-Auslandsleasings vor einigen Jahren eingeführte, aber von der Judikatur als EU-widrig erkannte umsatzsteuerliche Eigenverbrauchstatbestand wird ab 01.01.2010 ersatzlos gestrichen. Die Bestimmung ist auch deshalb weitgehend überflüssig geworden, da aufgrund einer Änderung der EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie das PKW-Auslandsleasing durch einen österreichischen Unternehmer seit 01.01.2010 nicht mehr am (steuerlich günstigeren) Unternehmerort des ausländischen Leasinggebers, sondern in Österreich umsatzsteuerpflichtig ist. Damit kann der Vorsteuerausschluss für PKW-Aufwendungen durch ein Auslandsleasing (mit Rückerstattung der ausländischen Vorsteuern im Ausland) nicht mehr umgangen werden.

  • Die so genannte Versandhandelsschwelle, ab deren Überschreiten ausländische Unternehmer mit ihren Lieferungen an österreichische Konsumenten in Österreich umsatzsteuerpflichtig werden, wird ab 2011 von
    100.000 € auf 30.000 € pro Jahr gesenkt.


  • Weitere Änderungen betreffen Spezialthemen, wie die Lieferung von Gas, Wärme und Kälte (über Rohrleitungen, die nicht Bestandteil des Verteilernetzes sind), weiters den Leistungsort bei kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen sowie bei Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen (bei B2B-Leistungen ist ab 01.01.2011 nur mehr die Eintrittsberechtigung am Veranstaltungsort sowie damit zusammenhängende Dienstleistungen, wie zB Garderobe, steuerbar, sonst gilt als Leistungsort der Empfängerort, also jener Ort, von dem aus der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt), die Umsätze von Treibhausemissionszertifikaten (Reverse-Charge-System) sowie Bestimmungen über Postdienste.
 
5. „Advance Ruling“ ab 2011 auch im österreichischen Steuerrecht

Die fehlende Möglichkeit, vom Fiskus verbindliche Rechtsauskünfte und damit für konkrete steuerliche Problemstellungen auch tatsächlich Rechtssicherheit zu erhalten, wurde im internationalen Vergleich
immer wieder als Nachteil für den Wirtschaftsstandort Österreich angeprangert. Mit dem AbgÄG 2010 wird nunmehr ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Rechtssicherheit gesetzt: Ab 2011 werden nämlich verpflichtende Rechtsauskünfte durch den Fiskus („Advance ruling“) in Form von so genannten „Auskunftsbescheiden“ auch in Österreich möglich sein. Damit besteht erstmals ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer rechtsverbindlichen Auskunft für einen geplanten (noch zu verwirklichenden) Sachverhalt. Allerdings kann ein verbindlicher Auskunftsbescheid nur in Zusammenhang mit Rechtsfragen im Bereich Umgründungen, Gruppenbesteuerung und Verrechnungspreisen beantragt werden, wenn an der Auskunftserteilung in Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Damit sind zumindest besonders komplexe Gebiete des Steuerrechts abgedeckt.
 
Der Antrag auf Auskunftserteilung muss eine umfassende Darstellung des beabsichtigten Sachverhalts (zB der geplanten Umgründung) und der damit verbundenen Rechtsfragen enthalten. Wenn der geplante und angefragte Sachverhalt dann ohne wesentliche Abweichungen tatsächlich so umgesetzt wird, besteht ein Rechtsanspruch, dass der Fiskus diesen Sachverhalt dann tatsächlich entsprechend der erteilten Auskunft steuerlich behandelt. Der anfragende Steuerpflichtige selbst ist nicht an den Auskunftsbescheid gebunden, er kann also in seiner steuerlichen Beurteilung immer davon abweichen!
 
Der Haken an der Sache: Die Auskunft kostet etwas. Je nach Vorjahresumsatz des Antragstellers ist ein Verwaltungskostenbeitrag von 1.500 € bis maximal 20.000 € (bei Umsätzen über 38,5 Mio €) zu bezahlen. Gesellschaften, die einem Konzern angehören, der nach unternehmensrechtlichen Vorschriften einen Konzernabschluss aufstellen muss, zahlen unabhängig vom Umsatz immer 20.000 € pro Auskunft. Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland handelt es sich aber um durchaus angemessene und vor allem vorweg genau kalkulierbare Beträge.